Drittes PEFC-Forum: EU-Green-Deal als Chance?

PEFC-Expertenforum bringt Licht ins Dunkle der EU-Bürokratie

Das Programm setzte Schlaglichter auf RED, EUDR, NRL, BioDiv- und Waldstrategie. Foto: PEFC / Kollaxo

Rund 100 Expertinnen und Experten aus der Forst- und Holzwirtschaft diskutierten am 20. Juni auf dem dritten PEFC-Forum in der Kölner Flora, wie der Green-Deal der Europäischen Union im Sinne der Branche genutzt und die EU-Politik gezielt mitgestaltet werden kann. Neben vielen bestehenden Unklarheiten und Sorgen gibt es Chancen, die bislang vernachlässigt werden. Allein mit wiederholter Präsenz in Brüssel sei laut dem ehemaligen EU-Kommissar und Keynote-Speaker Günther Oettinger auf EU-Ebene viel zu erreichen.

Stuttgart, 10.07.2023. Unter der bewusst provokant gewählten Prämisse, dass aus Sicht des Clusters Forst und Holz selten etwas Gutes aus Brüssel komme, lud PEFC Deutschland eine Vielzahl von Stakeholdern und Fachleuten zum Forum „EU-Green-Deal als Chance?“ ein. Rahmengebend für die Veranstaltung im Dachsalon der Flora im Botanischen Garten der Stadt Köln war das Anliegen, den EU-Green-Deal für die Umsetzung und Kommunikation der Brancheninteressen zu nutzen. In fünf Themenblöcken steigerte das mittlerweile dritte PEFC-Forum zunächst das Verständnis für die EU-Prozesse, um dann Wege aufzuzeigen, wie das Cluster die EU-Politik besser mitgestalten kann.

Oettinger: „Brüssel ist Ihre Hauptstadt“

Peter Gaffert, Vorsitzender von PEFC Deutschland, eröffnete die Veranstaltung. Der langjährige Bürgermeister und Nationalparkleiter verband mit dem Green-Deal die Gretchenfrage an alle europäischen Waldbesitzer: „Wie hältst Du es mit dem Klimaschutz und was machst Du mit Deinem Wald?“. Einen europäischen Regelungsrahmen bezeichnete er als chancenreich, „wenn er nicht dogmatisch und ideologisch geprägt werde“.

Die thematische Einführung gab Günther Oettinger, EU-Kommissar von 2010 bis 2019, mit seiner Keynote „Einblicke in die EU-Politik“. Seine bedeutendste Botschaft an die Versammelten lautete, dass Brüssel hinsichtlich der politischen Ausgestaltung so bedeutend sei, wie „das Rathaus, die Landeshauptstadt und Berlin zusammengenommen“. Daher sei „Präsenz, Präsenz, Präsenz“ entscheidend, also Lobbyarbeit in Brüssel und Straßburg, die regelmäßige Gespräche mit beispielsweise Mitgliedern des Agrarausschusses des Europaparlamentes vorsehe.

Günther Oettinger, EU-Kommissar von 2010 bis 2019, sagte: „Holz ist Zukunft, man sollte nur die Zukunft nicht zu stark bürokratisch erschweren." Foto: PEFC / Kollaxo

Neue EU-Waldstrategie mit freiwilligem Zertifizierungssystem

Natalie Hufnagl-Jovy, Referentin für europäische und internationale Forstpolitik im Verband Familienbetriebe Land und Forst Bayern, erläuterte die EU-Waldstrategie, die ihrer Meinung nach einen integrierten, kohärenten Ansatz unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede verfolgen sollte.

Im Fishbowl-Format diskutierte sie unter anderem mit Bürgermeister Dr. Christof Bartsch, Europäischer Kommunalwaldbesitzerverband FECOF, und Jerg Hilt, Geschäftsführer der Forstkammer Baden-Württemberg, das geplante EU-Waldzertifizierungssystem. Kritisch hinterfragte die Runde den Mehrwert dieses Systems. „Wir brauchen keine Wunschliste von inkohärenten Einheitsvorschlägen“, brachte es Hufnagl-Jovy auf den Punkt. Die lokalen und regionalen Unterschiede der Wälder in Europa müssten berücksichtigt werden.

Das dritte PEFC-Forum machte EU-Prozesse in Politikfeldern transparent, die für die Forst- und Holzwirtschaft relevant sind, und zeigte Wege auf, wie die EU-Politik mitgestaltet werden kann. Foto: PEFC / Kollaxo

EU-Biodiversitätsstrategie: „Kaum Verständnis für das Gesetz des Örtlichen“

Im Anschluss referierte Prof. Dr. Justus Eberl von der Fachhochschule Erfurt zur EU-Biodiversitätsstrategie (EU-BDS), die aus seiner Sicht noch nicht ausreichend definiert und mit dem deutschen Ansatz einer multifunktionalen Waldbewirtschaftung bisher wenig kompatibel sei. Ihm sei wichtig, die Multifunktionalität neu zu bedenken, mit Berechnungen zu belegen und die Ergebnisse entsprechend zu kommunizieren. Die Strategie müsse Freiräume für einen kreativen Umgang mit bestehenden Instrumenten lassen.

Es folgte eine Podiumsdiskussion mit Martin Häusling, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Fraktion Die Grünen/EFA, Prof. Dr. Jürgen Bauhus, Professur für Waldbau an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Dr. Aljoscha Requardt, Referent im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Im Austausch mit dem Fachpublikum wurden erhebliche Zielkonflikte deutlich. Kritisiert wurden willkürliche politische Vorgaben ohne fachliches Fundament (zehn Prozent der europäischen Fläche unter strengen Schutz, pauschale Betrachtung „von Flensburg bis Passau“). Angemerkt wurde, dass es mehr bewirken könne, Gelder in devastierte Waldgebiete zu investieren als in bestehende FFH-Gebiete.

Diskussion der EU-Biodiversitätsstrategie unter Mitwirkung von Martin Häusling, der im Europäischen Parlament der Fraktion Die Grünen/EFA angehört (2. v. l.). Foto: PEFC / Kollaxo

EU-Richtlinie für erneuerbare Energien mit bürokratischen Hürden

Nachfolgend stand die Überarbeitung der aktuellen EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED II) im Fokus, die von Gerolf Bücheler vom Bundesverband der Bioenergie vorgestellt wurde. In seinem Fazit betonte er, dass im Entwurf der neuen Verordnung RED III Holz weiterhin als erneuerbare Energie gelte, solange die gestiegenen Anforderungen an die Nachhaltigkeit eingehalten würden.

Ein Expertengespräch zwischen Thomas Siegmund von der Sustainable Resources Verification Scheme GmbH (SURE) und Dr. Michael Berger, Generalsekretär von PEFC International, befasste sich mit bürokratischen und zeitlichen Schwierigkeiten. Berger zeigte sich trotz schwieriger administrativer Prozesse davon überzeugt, dass PEFC in naher Zukunft von der EU als anerkanntes Zertifizierungssystem bezüglich der RED II-Nachhaltigkeitskriterien gelistet werde.

Geolokalisation als Teil der EU-Entwaldungsverordnung

Im vorletzten Veranstaltungspunkt erklärte Jörg Schwabe vom Gesamtverband Deutscher Holzhandel (GD Holz) die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR). Sie tritt in Teilen bereits ab dem 29.06.2023 in Kraft. Schwabe mahnte zur Eile, da Betroffene „schon morgen“ mit der konkreten Umsetzung beginnen müssten, um gut vorbereitet zu sein.

Die anschließende Podiumsdiskussion, an der auch Dr. Uwe Sayer, Geschäftsführer von FSC Deutschland, teilnahm, befasste sich vor allem mit der Umsetzung der EUDR in Deutschland. Besonders kontrovers wurde die Anforderung der Geolokalisation des geschlagenen Holzes besprochen, die nach Ansicht aller Beteiligten „nicht manuell mit Excel“ umsetzbar sei und für 1,8 Millionen Waldbesitzer in Deutschland einen erheblichen Zeit- und IT-Aufwand mit sich bringe. Magnus Deinzer von der Stora Enso Wood Products Division stellte in Aussicht, dass die Holzindustrie eine branchenweite IT-Lösung erarbeiten werde.

Mehr als 100 Gäste meldeten sich zum dritten PEFC-Forum „EU-Green-Deal als Chance?“ in Köln an. Foto: PEFC / Kollaxo

 Gelungener Themeneinstieg mit Wunsch nach Vertiefung

Abschließend zog Prof. Dr. Andreas W. Bitter, Stellvertretender Vorsitzender von PEFC Deutschland, ein Resümee. Er betonte, dass die Ziele der EU angesichts eines globalen Waldverlusts von zehn Prozent seit 1990 vom Cluster Forst und Holz mitgetragen werden. Allerdings sei hinsichtlich des Klimawandels und der im EU-Green-Deal geforderten holzbasierten Bioökonomie kein Zurück zum untauglichen Leitbild eines „Urwalds“ möglich. Die EU verliere sich, entgegen des von Jean-Claude Junckers geäußerten Leitgedankens, in Großen Dingen Größe zu zeigen und die Bürger nicht mit „Regelungs-Klein-Klein“ zu nerven, in Mikromanagement und verlöre Subsidiarität und Pluralität aus den Augen. Daher sei es entscheidend, dass die Branche mit eigenen Ideen und Argumenten auf EU-Ebene zu sachgerechten Lösungen kommt.

Dirk Teegelbekkers, Geschäftsführer von PEFC Deutschland e.V. und Initiator der Veranstaltung, freute sich über die produktiven Beiträge und Diskussionen. Bei einer Umfrage per Smartphone zu möglichen Themen eines vierten PEFC-Forums wurde deutlich, dass viele eine Vertiefung der in Köln diskutierten Themen wünschen. Peter Gaffert schloss: „Wir bedanken uns bei den zahlreichen Gästen sowie den Experten, die mit ihrer Fachkompetenz sowohl einen Einblick in die Strategien und Richtlinien auf EU-Ebene als auch einen Ausblick hinsichtlich der praktischen Konsequenzen geben konnten, mit denen wir uns im Cluster Forst und Holz zwangsläufig auseinandersetzen müssen.“

Ein Zusammenschnitt der Veranstaltung ist auf dem YouTube-Kanal von PEFC Deutschland zu sehen:

PEFC

PEFC ist die größte Institution zur Sicherstellung nachhaltiger Waldbewirtschaftung durch ein unabhängiges Zertifizierungssystem. Holz und Holzprodukte mit dem PEFC-Siegel stammen nachweislich aus ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiger Forstwirtschaft.

PEFC Deutschland e.V. wurde 1999 gegründet und entwickelt die Standards und Verfahren der Zertifizierung, stellt der Öffentlichkeit Informationen bereit und vergibt die Rechte am PEFC-Logo in Deutschland. PEFC ist in Deutschland das bedeutendste Waldzertifizierungssystem: Mit über acht Millionen Hektar zertifizierter Waldfläche sind bereits rund drei Viertel der deutschen Wälder PEFC-zertifiziert.

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Catrin Fetz
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit